Wiesbaden Erbenheim, Montagmorgen, 7.30h.
Während die jüngeren Schüler und Schülerinnen mit neugierigen Blicken an dem Trubel vorbei zu ihren Klassenräumen ziehen, versammeln sich immer mehr Jugendliche im Foyer und in der Mensa, bilden Grüppchen, sichern sich schon mal einen Platz. Vom großen Fenster aus, kann man beobachten wie ein Bus mit Aufschrift „Obermayr Europa-Schule“ sich seinen Weg auf den Parkplatz bahnt. Er bringt weitere Schüler zu der Veranstaltung. Dazwischen Menschen mit Kamera und Mikrofon auf der Suche nach dem besten Platz und dem guten Ton.
Wer aus der Aufregung, die hier am frühen Morgen schon herrscht, schließt, dass Großes bevorsteht, soll Recht behalten: erwartet werden fünf Kandidaten und Kandidatinnen für die Europawahl am 25. Mai. Einige Gesichter und Namen sind von den zurzeit überall präsenten Wahlplakaten bekannt. Michael Gahlert zum Beispiel, der Hessische Kandidat der CDU. Udo Bullmann, SPD, ist zwar angekündigt, hat aber leider aus familiären Gründen absagen müssen. Er hat seinen Assistenten Umut Sönmez geschickt. Wolf Klinz von der FDP ist schon da. Jennifer Bartelt von Bündnis 90/die Grünen und Ulrich Wilken von der Partei die Linke ebenfalls.
Isabel und Johannes sitzen schon in einer der mittleren Stuhlreihen und betrachten den Trubel gelassen. Die beiden sind zwar heute hier, weil die ganze Klasse zur Veranstaltung geht, aber das heiße ganz und gar nicht, dass sie nicht interessiert sind, sagt Isabel: „Wir waren mit der Schule im Europaparlament in Straßburg“, erzählt die 18-Jährige, „da haben wir Michael Gahlert auch schon getroffen. Es war so spannend, dass wir ihn gleich hierher eingeladen haben“, erinnert si e sich. „Wir haben vor zur Europa-Wahl zu gehen“, sagt der ebenfalls 18-jährige Johannes „und deshalb haben wir uns auch über die Positionen der einzelnen Parteien schon informiert.“ Trotzdem sei es interessant zu sehen, wie die Kandidaten und Kandidatinnen sich persönlichen präsentierten und auf konkrete Fragen reagierten, fügt Isabel hinzu.
Es ist schließlich schon kurz nach acht, als Ruhe einkehrt und Anne Herrmann, Liz Schneider, Victoria Enders, Sebastian Matußek und Philipp Seelgen aus dem Leistungskurs Politik und Wirtschaft, der 11. Klasse des beruflichen Gymnasiums und Mitglieder des Jungen Forum für Politische Bildung der Reihe nach zum Mikrofon greifen, um je einen der Kandidaten und die Kandidatin mit wenigen Sätzen vorzustellen.
Dann geht es auch gleich zur Sache:“ Energiewende – ja aber wie?“ lautet die erste Frage, die Frederic Witt den Politikern stellt. Patrick Krzwitzka fragt zum Thema Austeritätspolitik, ob es gerecht sei, dass der reiche Schwede den armen Zyprioten mit finanziere. Weiter geht es mit der Frage nach der Bankenunion. Max Zeller möchte wissen, ob die Gefahr bestehe, dass seine Oma mit ihrem Konto bei der Wiesbadener Volksbank für die Bankenkrise zahlen müsse. Und schließlich interessiert Alicia Althaus, ob es den Politikern um den Schutz von oder vor Flüchtlingen gehe.
Die Positionen der einzelnen Parteien sind den Jugendlichen nicht neu. Sie haben sich schon im Vorfeld mit den Parteiprogrammen beschäftigt. Trotzdem ist es spannend zu sehen, wie die Politiker interagieren. Auf eine Antwort von Michael Gahlert schüttelt, Jennifer Bartelt energisch den Kopf. Michael Wilkens wiederum lobt Wolf Klinz weil dieser von der „Sozialisierung der Schulden“ gesprochen hat. Alle Kandidaten bemühen sich, verständlich zu sprechen. „Die Energie muss von Euch und Euren Eltern finanzierbar sein“, sagt etwa Sönmez von der SPD.
Interessant vielleicht auch die Fragen, die aufgeworfen werden: „Was ist überhaupt politisch?“ fragt Wilken im Zusammenhang mit Flüchtlingen. Für ihn seien auch Menschen, die zu Hause vom Hungertod bedroht sind, politische Flüchtlinge.
Eines wird dabei auf jeden Fall deutlich: es sind Menschen, die die Politik machen. Jennifer Bartelt sagten einige der Jugendlichen hinterher, habe sie positiv überrascht, weil sie so engagiert und emotional reagiert habe. Isabel allerdings schienen gerade ihre Antworten im Nachhinein zu einfach. Die Zusammenhänge seien wohl doch etwas zu komplex, als das man mit einer einfachen Verordnung große Veränderungen bewirken könnte. „Mich hat das sehr gewundert“, sagt Schülerin der zehnten Klasse,“dass in der Energiepolitik zum Beispiel immer noch Leute glauben, man könne eine Veränderung von oben bewirken. Letztlich sind es doch wir, die Verbraucher, die mit ihrem Verhalten bestimmen, was wirklich Erfolg hat, in dem wir Dinge kaufen und andere ablehnen, indem wir Solarstrom beziehen oder Sonnenkollektoren auf unsere Dächer montieren lassen.“
Viele der Jugendlichen gehen am 25. Mai zum ersten Mal zur Europawahl, manche von ihnen werden überhaupt zum ersten Mal wählen gehen. Egal wie sie sich entscheiden – sie zeigen durch ihr Verhalten, dass sie verstanden haben, dass Demokratie nur funktionieren kann, wenn man sich informiert und entscheidet. Sonst entscheiden nämlich andere. Mögen sie, wie Dr. Gerhard Obermayr in seinen Abschlussworten formulierte, möglichst viele ihrer Freunde und Freundinnen mit ihrem Enthusiasmus anstecken.